Vor ca. zweieinhalb Jahren begann mein Weg in die IT. Eine durchaus unübliche Reise. Meine Hauptbeschäftigung in Informatik während der Schulzeit war nämlich „Tee-Worlds-Spielen“ und möglichst grelle Farbkombinationen für meine HTML-Pizza-Lieferdienstwebsite finden.
Von Informatik selbst – egal ob Netzwerktechnik oder Anwendungsentwicklung – hatte ich damals ungefähr so viel Ahnung wie Oma von eSports. Wenn ich es geschafft hatte meine Festplatte zu formatieren und neu aufzusetzen, kam ich mir schon vor wie Benjamin aus „Who am I“.
Unüblich war die Reise vor allem deshalb, weil immer aus der Brille des Finanzberaters. Was Finanzen, Beratung und IT miteinander zu tun haben?
Wenn die VW-Kfz-Werkstatt auf einmal anfängt Porsche zu reparieren, ist das schon seltsam. Wenn sie dann auch noch Thermomix und Staubsauger ins Programm nimmt, ist die Qualität doch stark fragwürdig.
Genau deshalb wollte ich mich nach meiner Ausbildung zum Versicherungskaufmann und Honorar-Finanzanlagenberater auf eine Berufsgruppe und einen konkreten Bereich spezialisieren. Altersvorsorge & Investment war naheliegend, da meine absolute Leidenschaft hier liegt und Haftpflicht- und Krankenzusatzversicherung mir eher so viel Spaß machen wie Code-Dokumentation schreiben – notwendig für gute Arbeit, aber mühselig.
Die IT-Branche fand ich schon immer spannend. In Deutschland haben wir das Kunststück vollbracht, die Digitalisierung seit Boris Becker 1999 mit „Bin ich schon drin?“ das Internet entdeckt hat größtenteils zu ignorieren. Auf der anderen Seite ist aber gerade die Menge an Innovationen und Unternehmensgründungen im Softwarebereich bewundernswert und spiegelt die immense Bedeutung der Branche wider.
So war die Softwarebranche 2022 mit 188 Neugründungen im Halbjahr Zwei laut Startupverband.de immerhin noch auf Platz Zwei dicht hinter der Medizinbranche.
So weit so gut, aber was unterscheidet die IT- & Softwarebranche denn eigentlich von anderen Branchen? Weshalb ergibt eine Beratung spezialisiert auf Techies Sinn? Was sind denn aktuelle Trends, Herausforderungen und Veränderungen? Was beschäftigt Entwickler, System- oder Netzwerkadministratoren, Cloud Consultants und so weiter?
Mit Gründung von KÄPSELE im Januar 2022 war es Zeit, diesen Fragen gezielt nachzugehen.
Ich fing also an, über XING, LinkedIn und Instagram einfach mal herumzufragen, wer denn Lust & Zeit hätte mir ein paar Antworten zu geben. Die Hälfte der Fragen im IT-Bereich, die andere im Finanz- & Lifestyle-Bereich.
Ich bekam Einblicke in die Gedanken und Wohnzimmer- sowie Bürohintergründe von über 100 Devs, Softwarearchitekten und Netzwerkadministratoren. Jede Jobbeschreibung, die die IT zu bieten hat, war dabei. Von geblurrt bis Strandhintergrund zu Katanas an der Wand, Poster, Plakate, Bilder von Videospielen, Animes oder Leonardo DiCaprio-Memes ebenso.
Egal ob cleanes Setup mit Mikrofon und Gamingheadset oder Umzugskartons und Smartphone-Ansicht aus den wildesten Winkeln.
Egal ob Teetasse oder Alkoholfreies Radler am Montagmorgen, ich habe sie alle interviewt.
Da ich Whereby als Videotool nutze, waren technische Probleme vorprogrammiert. Standardeinstellung aus Teams, Jabra Headset & Browservideotool = 🤝
100 Interviews habe ich analysiert und ausgewertet und bin immer tiefer in das „Rabbithole“ IT eingestiegen. Mir wurden Fachwörter um die Ohren gehauen, als gäbe es kein Morgen mehr, bis ich endlich Cloud mit AWS und Docker Containern in Verbindung bringen konnte und verstanden habe, dass M365 mehr ist als Teams und Word.
Teilweise habe ich mehrere Seiten pro Interview mitgeschrieben und von fünf Minuten bis knapp Zwei Stunden war jede Ausführlichkeit dabei. Die Leidenschaft, die ich bei den aller Meisten für ihr Thema vorgefunden habe, ist beeindruckend.
Die Offenheit, Ruhe und Ausdauer, mit der meine Fragen beantwortet wurden – und mögen sie anfänglich auch noch so simpel gewesen sein – hat Spaß gemacht. Alle Gespräche waren angenehm, locker, aufgeschlossen. Viele haben sich Zeit genommen und mich gerne an ihrem Wissen und ihrer Erfahrung teilhaben lassen.
Ich denke an dieser Offenheit und Hilfsbereitschaft können sich andere Branchen eine Scheibe abschneiden, ich glaube nicht, dass das selbstverständlich ist. Vielen lieben Dank an jeden, der geholfen hat mit seinen Antworten diesen Artikel zu ermöglichen!
Insgesamt erscheint mir die IT- & Softwarebranche nicht nur technologisch Vorreiter und Ermöglicher zu sein, sondern gerade auch, was Arbeit, Moral, Einstellungen und Möglichkeiten angeht.
Ob digitales Nomadentum und globally Remote-Work oder flexible Arbeitszeiten und -umgebungen, die IT ist nicht nur was Gehälter angeht privilegiert, sondern kann sich auch für die generelle Freiheit glücklich schätzen.
Die Zufriedenheit und Leidenschaft, die mir durchweg begegnet ist, spiegelt genau diese Freiheit wider. Freiheit hat für mich vier entscheidende Dimensionen: Zeitliche, lokale, finanzielle und thematische Freiheit in der eigenen Arbeit Erfüllung zu finden. Alle vier Dimensionen sind wohl in keiner anderen Branche so ausgeprägt wie in der IT.
Viele Geschichten sind zusammengekommen, viele für mich neue und interessante Punkte. Wer an meiner Sicht auf die Antworten, Themen und die IT generell in einer wahllosen Aneinanderreihung aus Geschichten und Erfahrungen möchte ist herzlich eingeladen jetzt weiterzulesen:
Kannst Du nicht mal…
Es ist 9:00 morgens. Du hast dir gerade den 2. Kaffee aus dem Vollautomaten in der Büro-Küche gelassen, als der Kollege aus dem HR mit seinem Laptop in der Hand zu dir kommt:
„Ich habe da gar nichts gemacht, nur hier draufgeklickt und jetzt geht nichts mehr. Ich habe auch schon alles probiert, aber es tut sich gar nichts mehr. Kannst Du nicht mal nachschauen…“
Für viele ist die IT immer noch eine Blackbox. Und weil das so ist, ist die Feuerwehr namens IT-Abteilung auch ständig gefragt. Egal ob in der Firma oder privat. Egal ob es die Website für den Verein oder Omas neuer Router ist. Du bist die Nummer-1-Ansprechperson für literally alles, was auch nur annähernd mit IT zu tun hat.
Weil Du immer gerne geduldig und ausdauernd weiterhilfst, aber auch Deine Zeit begrenzt ist, wirst Du früher oder später vermutlich nebenbei ein kleines Gewerbe aufmachen…
Mir sind zumindest wenige Interviewpartner (abseits des Netzwerk- & Adminbereichs) untergekommen, die nicht nebenher noch in irgendeiner Form Projekte am Start haben. Mal ambitionierter und Geldträchtiger, mal einfach als Hobby in der Freizeit. Die Meisten konnten sich Freelancing, Consulting oder eigenes SaaS-Produkt vorstellen oder hatten schon konkret mit dem Gedanken gespielt.
Es gibt wohl kaum entspanntere Menschen als Programmierer, die mit Engelsgeduld Tag für Tag Probleme suchen, identifizieren und lösen. Hartnäckigkeit, Neugier und Leidenschaft sind nach eigener Aussage die wichtigsten Eigenschaften hierfür.
Gerade deshalb ist es umso erstaunlicher, dass die IT quasi nur aus Widersprüchen und Diskussionen besteht.
Der größte Feind ist wohl der Vertrieb. In kürzester Zeit soll beim Kunden ein möglichst gutaussehendes Produkt entstehen, der Funktionsumfang wird dafür hintenangestellt. Und auch das Thema Dokumentation und Clean Code ist nicht immer Prio eins.
So ähnelt manches Softwareprojekt einer archäologischen Ausgrabungsstätte, wo ganze Ghosttowns an Abandonware und technical debt zum Vorschein kommen. Auf dem maroden Fundament wird dann aus Zeit- & Kostendruck an der falschen Stelle immer weiter gebaut.
Statt refurbishment und sauberer Arbeit wird der Code „WET“ (falls man das so sagt) geschrieben. Im Sinne des Managements ist das sicher nicht. Aber was verstehen die schon von ordentlicher Projektplanung und vor allem den technischen Hintergründen.
Da werden dann lieber Luftschlösser gebaut, statt machbare Dinge versprochen. So kommt es zumindest dem ein oder anderen Entwickler vor.
Aber auch unter den Techies scheiden sich die Geister. Von „der Scheiß Cloud“ und einem SaaS-Overload ist da auf der einen Seite die Rede – von weniger Fax und gemailten Excel-Tabellen auf der anderen.
Teilweise bekomme ich kurze präzise Aussagen zu den Schwierigkeiten der Datenbankmigration, teilweise angestaute Hasstiraden über die closed data Policy und Fehlerfortpflanzung (irgendwas mit log4j und Java Bibliotheken).
Teilweise habe ich den System Admin vor mir, der von Linux-Servern schwärmt und wie viel einfacher Navigation mit der Kommandozeile funktioniert, teilweise den Backend-Dev, der mir erzählt, dass man ITler in „LinkedIn-ITler“ und „Nicht-LinkedIn-ITler“ unterteilen kann und das zwei völlig unterschiedliche Typen von Menschen sind.
Nichts, was mir erzählt wird, kann ich wirklich überprüfen
Aber darum geht es auch gar nicht. Mein Ziel ist ein Portrait der Branche. Ein Bild einzufangen und wieder zu geben. In erster Linie für mich selbst, für unsere Firma und die Beratung. Aber eben auch für Neueinsteiger, Quereinsteiger, Branchenfremde und Branchenerfahrene. Warum?
Um mehr Verständnis zu schaffen. Einblicke in eine doch oft sehr abgekapselte Berufsgruppe zu schaffen. Remote-Work hat das Bubble-Dasein hier verstärkt. Ca. zwei Drittel aller Interviews werden aus dem Home-Office geführt.
Die Diskussion ist hier relativ gemäßigt. Zwar gibt es Extreme, die zu reiner Vor-Ort-Arbeit tendieren (vornehmlich die „alten Hasen“ und Ausbilder), deutlich häufiger ist aber das Home-Office präferiert und am häufigsten eine hybride Lösung. Die meisten haben hier für sich eine gute Mischung aus 2 zwei Tagen mit den Kollegen vor Ort und drei Tagen zu Hause gefunden.
Experimente zu mehr Austausch und Flurfunk im Home-Office gibt es genug, wirklich erfolgreich scheinen die wenigsten zu sein.
Interessant war für mich, dass die Arbeit vor Ort im Unternehmen als „Entspannungstag“ gesehen wird. Der Workload im Homeoffice ist extremer. Viele schätzen die Effizienz, teilweise ist es aber auch zu viel.
Für mich war es erstaunlich, von wie vielen Burnouts ich erfahren durfte. Ohne danach explizit gefragt zu haben. Die Belastung ist enorm und hat sich durch die Corona-Home-Office-Thematik vervielfacht. Die Meeting-Taktung ist höher geworden. Die Planung flexibler und dadurch unplanbarer, der Stressfaktor höher. Der informelle Austausch dafür weniger.
Pausen auf Fahrten von und zum Kunden gibt es nicht mehr. Die Grenze zur Freizeit verschwimmt.
Als häufigste Herausforderung höre ich das Mithalten mit neuen Technologien, Frameworks und Sprachen. Die Anzahl an Releases steigt schneller als die Gaspreise. Sich fortzubilden, auf dem neuesten Stand zu bleiben wird als essenziell gesehen.
Wird das die nächsten Jahre für viele weiteren Branchen als Standard werden? Mir erscheint diese Weiterbildung und Anpassungsfähigkeiten als eine der wichtigsten Fähigkeiten, wenn sich technologische Veränderungen und Prozessautomatisierung immer mehr in alle Branchen ausbreiten.
Von einem Quereinsteiger aus der Elektronik wird mir erzählt, dass die letzte technische Neuerung Anfang der 2000er mit dem Wechselrichter stattfand während neue Frameworks und Programmiersprachen wie Pilze aus dem Boden schießen.
Eine ständige Fortentwicklung der Arbeitsweise (sowohl als prozessualer Ebene aber auch im Arbeitsmodell, Stichwort Scrum) ist hier sicher für alle Branchen wünschenswert, wenn auch unrealistisch.
Mir scheint die Geschwindigkeit der IT zumindest im Erscheinungsbild der Erzählungen sich immer deutlicher von anderen Branchen zu entfernen.
Genau diese ständige Weiterbildung zu lieben ist die am meisten genannte grundlegende Fähigkeit, die jeder Entwickler mitbringen sollte. Die Grundvoraussetzung, um erfolgreich zu sein, in die großen Namen der IT wie Google oder Amazon zu kommen und gleichzeitig das, was die IT von so vielen anderen Branchen unterscheidet. Dass hier (auch nach Feierabend) noch weiter informiert wird scheint vielen Selbstverständlich, da man hier ja „ohne Kontrolle oder Erklärung“ in alle Richtungen lesen kann.
Häufig wird genau das als zusätzliches Engagement von den Arbeitgebern vorausgesetzt wird. Nicht alle Firmen bieten Fortbildungen während der Arbeitszeit an. Oder zumindest nicht in einem praktikablen und gewünschten Rahmen.
Gerade bei jungen Unternehmen grenzt dieses Verhalten – soweit mir erzählt wird – an latente Ausnutzung von Idealismus und Motivation.
DJ & Party als Projektabschluss?
Das ist zumindest was mir erzählt wird. Einmal die Büroräume abreißen, aber mal ernsthaft: Wer braucht das denn noch nach drei Monaten 65h-Woche???
Leidenschaft für die eigene Tätigkeit in allen Ehren. Gerade bei den erfahreneren Entwicklern in den Vierzigern klingt die Begeisterung ständig Neues zu lernen oft eher nach einem „naja, soweit halt nötig“. Häufig höre ich den Wunsch nach einer Pause oder einer Auszeit. Einfach mal ein Sabattical. Wohnmobil kaufen und herumreisen. Weiterbilden & Erholen.
In die Selbständigkeit wechseln. Digitales Nomadentum leben – hauptsache anders als davor. Der Job soll entspannt werden, und zwar so entspannt, dass er auch so lange wie möglich ausgeführt werden kann.
Ich höre öfter Sätze wie: „Wir sind eben unterbesetzt, da ist die Auslastung bei 120 %.“. Oder: „Nach zehn Jahren bist Du einfach durch.“, „Das ist ja geistig wirklich anspruchsvoll, was wir den ganzen Tag leisten.“. Also doch nicht nur entspannt vor dem Rechner sitzen, grüne Zahlen über den Bildschirm laufen lassen und CoD spielen, wenn keiner zuschaut – wie das mancher Film gerne vermittelt.
Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb keiner meiner Interviewpartner (bis auf wenige Ausnahmen alle männlich) weit über 50 ist. Gibt es hier irgendwo einen Elefantenfriedhof für Devs? Sind die Möglichkeiten mit spätestens 60 in Rente zu gehen einfach so verfügbar? Oder wechseln viele im Alter doch in entspanntere Branchen?
Die 40-Stunden-Woche findet jedenfalls wenig bis gar keinen Zuspruch. Nahezu jeder Entwickler erzählt mir, dass er gerne reduzieren würde oder sogar schon hat. Dass 35 oder 32 Stunden bei weitem reichen auch für den gleichen Workload. Dass IT eben keine Fließbandarbeit ist, die man genau acht Stunden am Tag macht und dann aufhört. Dass die aktuellen Arbeitsmodelle einfach nicht zur Tätigkeit passen.
Die meisten arbeiten gerne und das auch gerne lange, aber dann doch bitte nur in Teilzeit (dazu in Teil 2 mehr) – kreative Köpfe mit guten Arbeitszeitmodellen vor! Die Einzigen, die diesen Wunsch nach mehr Freizeit, Work-Life-Balance und angepasster Arbeit nicht nachvollziehen können sind die alten Hasen.
„Die Berufseinsteiger heute fordern dreiste Gehälter, ohne jemals etwas geleistet zu haben und dann ist Alles was sie wollen Work-Life-Balance“
So oder so ähnlich lautet der häufige Vorwurf. Meine Generation sei nicht mehr bereit zu leisten und zu arbeiten und das vor allem nicht zu „normalen“ Gehältern. Für mich widerspricht das dem Bild, das ich bei Quereinsteigern, Azubis und Studenten wahrgenommen habe. Wenige sagen, Geld war der Motivator für die Informatik. Die Meisten brennen wirklich für ihr Thema und das oft schon seit der Schule.
Der Anteil, der nach dem Informatikunterricht entschlossen hat, IT soll es werden ist verdammt hoch. Ob es das Minecraft-Serverhosting war, das eigene Spieleentwickeln oder einfach nur „ich konnte den Browser mit HTML blau machen und das hat mich begeistert“ – eine rationale Geld-/ Jobentscheidung scheint es selten gewesen zu sein. Viel häufiger Faszination für das Thema oder Möglichkeiten.
Deshalb, liebe Schulen: Bitte führt den Informatikunterricht früher ein. Standardmäßig und mit Herausfiltern der Leute, die wirklich Bock haben.
Aus eigener Erfahrung ist der Skill-Unterschied schon in der Schule enorm und für technisch versierte gibt es kaum Möglichkeiten sich auszuleben. Wenn das aber der Hauptpunkt ist, an dem Entwickler geboren werden, dann baut das doch bitte aus! Also zumindest, wenn das Fachkräfteproblem in naher Zukunft gelöst werden soll. Für mich schien es nicht, als wären die Neueinsteiger „nur gut im Lebenslaufschreiben“, sondern auch ihren eigenen Aussagen nach viel eher hungrig auf Erfahrung und darauf zu lernen.
Der Jobeinstieg erscheint hier doch sehr hart. Egal ob es am Unisystem oder an der mangelnden Berufserfahrung liegt, aber kann mir als schon immer selbständigem bitte jemand erklären wie 50-100 Bewerbungen normal sein können??? Ich habe mich selbst noch nie irgendwo beworben und das auch nicht vor, aber wenn ich höre, dass über 90 Tage Bewerbungen im 3-stelligen Bereich zu versenden dem Standard entspricht, dann ist für mich eine riesige Diskrepanz zwischen „Fachkräftemangel“ und Jobeinstieg…
Ausnahmslos jedes Unternehmen bzw. jeder Team Lead erzählt mir wie unterbesetzt seine Projekte sind und wie viele Projekte sogar parallel bearbeitet werden müssen. Jeder Bootcamp-Absolvent und Student erzählt mir, wie hart es ist einen Job zu bekommen. Jeder Ausbilder erzählt mir, wie schwierig es ist in den ersten ein bis zwei Jahren Berufserfahrungen einen Junior auf den Kunden loszulassen.
Ist es an der Zeit unser Ausbildungssystem zu überdenken?
Was wir haben, ist kein Fachkräfteproblem, sondern ein Fachkräfteausbildungs- und Qualifizierungsproblem. Wer ohne Vorerfahrung aus der Uni kommt ist zu wenig in der Praxis bewandert. FHler haben es hier einfacher, aber auch diese benötigen die Möglichkeit Erfahrung zu sammeln.
Immer wieder bestätigt sich das Klischee, dass für fünf Jahre alte Technologien Entwickler mit 10 Jahren Erfahrung im Umgang mit diesen gesucht werden. Auf Ausbildungsseite ist mehr Praxis und Projektarbeit als Standard notwendig. Gute Unternehmen bemühen sich hier schon um Traineeprogramme in denen Junioren möglichst schnell einsatzfähig ausgebildet werden sollen.
Aber welcher Masterabsolvent hat denn bitte Lust, hier länger als ein Jahr in einem Traineeprogramm festzustecken? Nach fünf bis sieben Jahren Studium will ich arbeiten und auch den entsprechenden Verdienst für meine Ausdauer ernten, nicht ein bis zwei Jahre als zweitklassiger Programmierer in einer Assistenzrolle in Hauseigenen Projekten feststecken. Auf der Kundenseite benötigt es hier mehr Entspannung und Vertrauen in die Fähigkeiten auch junger Entwickler. Der Wunsch Projekte nur mit Senioritäten zu besetzen ist beim weiter andauernden Wachstum der IT und der Neueinsteiger einfach unrealistisch und auch zunehmend unrentabel.
Interessant im Zusammenhang war für mich, dass offensichtliche Trendthemen wie AI, Web3.0, IoT etc. zwar genannt werden und durchaus auch einige in diesen Bereich arbeiten, die Mehrheit aber mit verhältnismäßig alten Trends wie „Cloud statt On Prem“ beschäftigt ist. Im deutschen Mittelstand und der Digitalisierung geht es nicht um AI und Smart Contracts. Für typische Industrieunternehmen ist vielmehr Prozessautomatisierung auf simpelster Ebene ein Thema. Ich erfahre hier von ausgedruckten Mails, mit denen Meetings abgehalten werden. Von mangelnder Prozesstransparenz und Know-How, das immer noch an Mitarbeiter gekoppelt ist (bei Fluktuationen und Arbeitgeberwechsel wie in der IT schlicht undenkbar).
Die Themen sind hier also deutlich simpler und die Einsparungen mit simplen Automatisierungen und Tools dagegen massiv. Gerade hier fehlt es an simplen Entwicklungstools, die auch von den jeweiligen Fachabteilungen selbst durchgeführt werden können.
Die Herausforderung sind häufig die festgefahrenen Denkweisen der Mitarbeiter. Wie sollte optimal mit „wir haben das schon immer so gemacht und es hat bisher auch funktioniert“ umgegangen werden? Vereinfachung und simple Tools könnten eine Lösung sein…
Fazit: Ich bin schlichtweg begeistert.
In über 100 Gesprächen erfahre ich immer wieder Neues und kann aktuelle Herausforderungen, Trends und die Realität der IT- & Softwarebranche deutlich stärker greifen!
Gerade die Lebensmodelle, Renten- und Arbeitsvorstellungen dieser Einzigartigen Branche verdienen deshalb einen eigenen fortführenden Artikel.
Meine Interview-Reise geht weiter und meine spannendsten Erkenntnisse gibt es dann in Teil II…
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